Ich war dabei!

Diese Erfahrungen machen Menschen, die an einem Wahlkreistag teilnehmen
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HalloBundestag Erfurt Weimar 03©Hallo Bundestag

Hier erzählen Menschen, die an einem der Wahlkreistage teilgenommen haben, von ihren Erlebnissen und was der Wahlkreistag für sie bedeutet hat.

Sofie

Ich heiße Sofie, bin 22 Jahre alt und wohne seit drei Jahren im Wahlkreis Flensburg – Schleswig in einer therapeutischen Wohngruppe. Meine Beziehung zur Politik ist sehr schlecht oder eher gesagt nicht vorhanden, weil ich seit meinem Schulabschluss keine Berührungspunkte dazu mehr habe. 

Als ich den ersten Einladungsbrief zum Wahlkreistag bekommen habe, dachte ich, dass es sich um Werbung handelt. Deswegen habe ich darauf nicht reagiert. Wirklich ernst genommen habe ich die Aktion erst, als jemand persönlich bei mir in der Einrichtung war. Ich fand es sehr schön, dass jemand persönlich gekommen ist, da man so das Gefühl bekommen hat, dass es den Organisatoren wichtig ist, dass auch wirklich die ausgelosten Personen kommen. Und dass dafür alles mögliche versucht wird. Bei mir zum Beispiel war es die Vermittlung an eine Fahrgemeinschaft. Ich hatte viele Gedanken zum Wahlkreistag wie zum Beispiel "Ist das wieder nur so eine Promo-Aktion?", aber auch "Schaffe ich es überhaupt, dorthin zu gehen und wenn ja, kann ich dann auch etwas sagen?". Zur Erklärung: Ich leide an einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), Borderline und schweren Depressionen. Aufgrund der PTBS habe ich panische Angst vor Männern. 

Der Beginn des Wahlkreistags war sehr stressig für mich. Mein Problem bei der Anmeldung war, dass es ein geschlossener Raum war, wo natürlich auch Männer waren. An diesem Punkt habe ich das erste Mal gemerkt, wie aufmerksam und hilfsbereit das Team vom Projekt "Hallo Bundestag" ist. Es hat sich gleich eine Frau meiner Probleme angenommen. Wir sind gemeinsam rausgegangen und haben dort die Formalia ausgefüllt. Danach hat sie mir noch einen Platz im Raum gesucht, wo weder Männer sitzen noch an mir oder hinter mir langlaufen konnten. Auch bei der Zusammenstellung der Kleingruppen wurde darauf Rücksicht genommen. 

In der zweiten Gruppenarbeit durften wir uns die Gruppen selber aussuchen, je nachdem, welches Thema uns am meisten zugesagt hat. Ich habe das Thema "Transparenz und Vielseitigkeit in der Politik" gewählt, da ich selbst von Verbesserungen in diesem Thema profitieren würde und ich viele Menschen kenne, denen es genauso geht, vor allem Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen. Sie haben erschreckend oft keinen Zugang zur Politik, was häufig nicht daran liegt, dass sie keine Lust haben, sondern dass sie es aus unterschiedlichen Gründen nicht können. Zum Beispiel, weil es viel zu kompliziert ist, überhaupt zu verstehen, was in der deutschen Politik so los ist und weil viele Angst davor haben, abgelehnt zu werden. Denn wenn man sich den Bundestag mal anschaut, fällt schnell auf, dass Menschen mit diesen Störungsbildern nicht vorhanden sind. Ich hatte auf jeden Fall gehofft, dass ich etwas in dem Thema erreichen kann, da ich weiß, wie es sich anfühlt, beeinträchtigt zu sein. Wenn ich überlege, wie unfassbar schwierig und anstrengend es durch die PTBS für mich ist, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, weiß ich genau, dass wir nicht genug tun, um Menschen auch mit anderen Störungsbildern in die Politik zu helfen. Ich habe mit meiner Gruppe einige Vorschläge erarbeitet, wie zum Beispiel, dass es Gesetze in leichter Sprache und bei Wahlen mehr Dolmetscher geben sollte.  

Diese Vorschläge und auch die der anderen Themengruppen haben wir dann in einer großen Gruppe nach und nach dem zu Gast gewesenen Abgeordneten Stefan Seidler (SSW) vorgestellt und besprochen. Was mich sehr positiv überrascht hat war, dass der Abgeordnete auf das eingegangen ist, was wir gesagt haben, auch zu meinem speziellen Anliegen zu beeinträchtigten Personen. Ich habe nämlich gedacht, dass die Abgeordneten nur kommen, um Werbung für sich zu machen. Dies war aber absolut nicht so. Ich habe, nachdem ich wieder in meiner Wohngruppe war, erst mal allen erzählt, wie cool es beim Wahlkreistag war. Durch diese Aktion bin ich viel näher an die Politik gekommen und bin auch immer noch dabei. 

Als ich gefragt worden bin, ob ich mit nach Berlin zu einer weiteren Veranstaltung [Abschlussveranstaltung der ersten Projektphase] möchte, habe ich gleich ja gesagt, weil ich dort die Chance gesehen habe, mein persönliches Anliegen weiter zu verbreiten. Allerdings hatte ich auch große Angst, vor allem vor der Bahnfahrt und dem Zusammenkommen der ganzen Menschen aus sechs verschiedenen Wahlkreisen. Sowohl in der Bahn als auch in den Tagungsräumen würden Männer sein, die ich nicht kenne und vor denen ich nicht unbedingt weglaufen kann. Diese Angst wurde mir aber schnell genommen, da wir schon in Flensburg am Wahlkreistag einen Plan gemacht haben, wie wir mich da "heil" durchbekommen. Durch diesen Plan und die mir zu Seite gestellten weiblichen Ansprechpartnerinnen hatte ich, aber auch die gesamte Gruppe, ein erfolgreiches Wochenende in Berlin. 

Im Großen und Ganzen bin ich sehr froh, ausgelost worden zu sein und diese tollen Erfahrungen in Flensburg und Berlin gemacht zu haben. Klar war es sehr stressig und ich musste weit aus meiner sicheren Zone raus, aber mit Unterstützung durch das tolle Team ja zum Glück nicht lange. Die Treffen haben sich sehr positiv auf meine Sicht auf Politik ausgewirkt, wie zum Beispiel, dass jeder etwas erreichen kann in der Politik, egal wer. Auch eine einzelne Person kann dazu beitragen, die Politik in die von ihr gewünschte Richtung zu verändern. 

Frishta

Mein Name ist Frishta. Ich lebe in Berlin und ich komme aus Afghanistan. Ich bin verheiratet und habe vier Kinder. Ich spreche Farsi und etwas Deutsch. Als Mutter ist es mir wichtig, gebildete und gesunde Kinder zu haben. Deshalb bin ich mit meinem Mann, der Journalist ist, nach Berlin gekommen, um ein besseres Leben zu führen. 

Während unseres dreijährigen Aufenthalts in Deutschland haben wir im Land unseres Gastgebers Chancen und Herausforderungen erlebt. Zu den Herausforderungen gehören das Erlernen der Sprache, die Wohnungssuche, das Finden von Arbeit und von Freundschaften. Zu den Chancen gehören das gute Sozialsystem, die Bildung und die Krankenversicherung. Wie jeder weiß, ist Deutschland ein Aufnahmeland für Millionen von Flüchtlingen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund. 

Das bringt auch Probleme. Was mich zum Beispiel wirklich beschäftigt, ist die fehlende Möglichkeit, meinem erlernten Beruf nachzugehen. Sieben Jahre habe ich in Afghanistan studiert. Die Anerkennung dieses Abschlusses ist ein ewiger Prozess. Gleichzeitig herrscht ein Mangel auf dem Arbeitsmarkt.  Ich habe mich immer gefragt, ob es eine Chance für mich gibt, meine Meinung über das System in Deutschland zu äußern. Und ich hatte das Glück, zu einem eintägigen Workshop von “Hallo Bundestag” eingeladen zu werden.  

An dem Tag habe ich mehr über das Leben in Deutschland gelernt, zum Beispiel, dass Pflege nicht nur privat über die Familie gehandhabt wird, und neue Leute getroffen, darunter auch Abgeordnete und Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. Es war eine großartige Gelegenheit für mich, als Mutter und als Einwohnerin von Deutschland meine Fragen zu stellen und wichtige Antworten von den richtigen Leuten zu bekommen. Ich habe festgestellt, dass die Regierung in Deutschland, einschließlich des Bundestages, hart daran arbeitet, den Flüchtlingen das Leben zu erleichtern. Die Veranstaltung war gut organisiert und wurde hervorragend geleitet. Ich persönlich fand sie sehr nützlich und fruchtbar.  

Ich danke dem “Hallo Bundestag”-Team und freue mich darauf, auch in Zukunft an den Veranstaltungen teilnehmen zu können. 

Jonas

Wie alles begann...

Vollkommen unerwartet erreichte mich im Spätsommer 2023 ein Brief einer mir bis dato absolut unbekannten Projektgruppe namens "Hallo Bundestag" - inklusive einer Einladung zu einem sogenannten Wahlkreistag in Hagen.

Nach anfänglicher Skepsis informierte ich mich über das Projekt, aus Skepsis wurde Neugier, aus Neugier entwickelte sich schließlich der Wille, teilzunehmen.

Der Wille, sich aktiv zu beteiligen. Der Wille, ins direkte Gespräch mit Bundestagsabgeordneten zu treten. Die klare Intention, als Teil der Gesellschaft mitzumachen, mitzugestalten und mitzureden.

Gesagt, getan, ab zum Wahlkreistag nach Hagen!

Der Wahlkreistag in Hagen

Nun war es also soweit  - an einem Samstagmorgen, Anfang November, trafen sich in eindrucksvoller Location dreißig zufällig ausgeloste Personen aus dem Wahlkreis Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I, um über verschiedenste politische Themen zu diskutieren, unterschiedlichste Erfahrungswerte einbringen zu können, um die erarbeiteten Vorschläge und Ideen dann im Nachgang am Nachmittag Politiker*innen zu übermitteln, welche unsere Interessen im Bundestag vertreten (sollen).

Dieser bunt zusammengewürfelte Personenkreis - von jung bis alt war wirklich alles dabei - bekam durch die Mitglieder des Projekts "Hallo Bundestag" Moderator*innen an ihre Seite gestellt, die die Diskussionen in verschiedenen Formaten (vom Austausch in Zweiergruppen bis hin zu größeren Kleingruppen) leiteten, die Ergebnisse dokumentierten sowie bei Fragen / Problemen jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung standen. Auch wenn ich von den 29 anderen Teilnehmer*innen vorab keine/n kannte, so herrschte grundsätzlich ein äußerst respektvolles und harmonisches Miteinander.

Zu dem großen Überthema "Der Staat und Wir - ein Geben und Nehmen" erarbeiteten wir einige Unterthemen von besonderer Relevanz [u.a. Bildung / Altersarmut / Soziale Gerechtigkeit], welche zum Abschluss im direkten Austausch bzw. mittels Videokonferenz im Zuge der digitalen Teilnahme der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP) sowie Janosch Dahmen (Bündnis 90 / Die Grünen) behandelt wurden. Nachdem wir unsere Meinungen / Vorschläge teilten, bekamen die Abgeordneten zu den Themen Zeitfenster, in denen sie ihre Ansichten präsentieren konnten - vielen Dank für diesen offenen, ehrlichen Meinungsaustausch. Beide Politiker wirkten auf mich interessiert, engagiert, motiviert, auch unseren Input mit nach Berlin zu nehmen.

Fazit des Tages: Der Wahlkreistag hat meine Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen - Demokratie wird dann gelebt, wenn unter toller, professioneller Betreuung & Moderation dreißig völlig unterschiedliche Personen zusammenkommen, um gleichberechtigt über aktuelle Themen zu debattieren und aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrungswerte gemeinsam ein Lösungsvorschlag erarbeitet wird, welcher anschließend im direkten Austausch mit Politiker*innen aus unserem Wahlkreis vorgetragen und besprochen wurde. Es war ein spannender, interessanter, äußerst kurzweiliger Tag, an dem jede*r Teilnehmer*in wichtigen Input geliefert hat und so produktiv zum Ergebnis beitragen konnte.

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin

Zur Abschlussveranstaltung in Berlin kamen aus den sechs Wahlkreisen Flensburg – Schleswig, Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I, Erfurt – Weimar – Weimarer Land II, Roth, Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost und Berlin-Steglitz-Zehlendorf, die Bestandteil des Projekts waren und in denen es vorab überall einen Wahlkreistag gegeben hatte, jeweils 5 Personen pro Wahlkreis zusammen. Auch diese 5 Personen wurden wieder ausgelost, um sich dann Mitte Januar für ein Wochenende per ICE auf den Weg in die Hauptstadt zu machen.

Nach relativ beschwerlicher Anreise aufgrund von Bahnproblemen wurden wir von Mitgliedern des Projektteams am Berliner Hbf eingesammelt und direkt zur Robert Bosch Stiftung gebracht. Im eindrucksvollen Ambiente gab es am Freitagabend eine kurze Einführung, ein erstes Kennenlernen mit den anderen Teilnehmer*innen und das Programm für das anstehende Wochenende: Am nächsten Morgen sollte es mit einem Workshop im Format eines Wahlkreistags zum Thema "Krieg, Klima, Katastrophen - Wie verständigen wir uns in unsicheren Zeiten?" weitergehen, ehe es für den Großteil der Gruppe am Samstag Nachmittag in den Reichstag ging.

Um einen kurzen Eindruck des Workshops zu geben, kann ich mich nur wiederholen - vergleichbar mit dem Wahlkreistag in Hagen war es auch hier ein angenehmes, weil konstruktives Erarbeiten einzelner Themenvorschläge in offener, respektvoller und harmonischer Kleingruppe. Besonders interessant war hierbei der Austausch mit den Teilnehmenden der anderen Wahlkreise. Freitag Abend waren auch vereinzelte Abgeordnete der Wahlkreise mit in den Diskussionen beteiligt, die aufgrund ihrer Expertise nochmal eine ganz andere Sichtweise einbringen konnten.

Ein Highlight war neben dem Workshop definitiv die tolle Führung durch den Reichstag durch einen Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten. Hier konnten wir einen äußerst informativen Einblick "hinter die Kulissen" bekommen, haben die Reichtstagskuppel besucht und den Blick über Berlin genossen sowie spannende Informationen sammeln können. Abends ging es dann in eine Pizzeria, um zusammen mit den Mitarbeitenden der Projektgruppe das Wochenende, aber auch die einzelnen Vorab-Veranstaltungen in den Wahlkreise Revue passieren zu lassen. 
Gemeinsamer Tenor hier war unter anderem, dass sich die Teilnahme sowohl am Wahlkreistag als auch an der Abschlussveranstaltung sehr gelohnt hat! Bleibt zu hoffen, dass das Format "Hallo Bundestag" auch in Zukunft Bestand haben wird und sich hierfür viele Teilnehmer*innen finden & begeistern, die sich aktiv für die Demokratie und ihre Werte einsetzen.

 

Was an dieser Stelle nicht fehlen darf:

Vielen Dank an die perfekte Organisation, die wir Teilnehmenden durch die Projektgruppe erfahren durften!

 

Und ein Tipp an jede/n Glückliche/n, auf den / die das Los mal fallen und eine Einladung von "Hallo Bundestag" bekommen sollten: mitmachen!  

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