„Ein Schatz der Demokratie” - 1. Wahlkreistag Roth

12. Juni 2023
Ein Bericht über den Wahlkreistag im Wahlkreis Roth
Eindrücke vom Wahlkreistag
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Der Wahlkreistag in Roth

Am 13. Mai war es auch im Wahlkreis Roth soweit: 26 zufällig ausgeloste Personen aus dem Wahlkreis, davon 4 unter 18 Jahren, kamen zusammen, um über das Verhältnis zwischen Einwohner:innen und dem Bundestag bzw. der Bundespolitik zu sprechen. Veranstaltungsort war das Industriemuseum in Lauf an der Pegnitz. 

In der rustikalen Atmosphäre früherer Industriehallen begann der Tag mit einer kurzen Vorstellung des Projekts und einem ersten Kennenlernen der Teilnehmenden. Ähnlich wie in den bisherigen Wahlkreisen erzählten viele, dass sie zunächst gedacht hätten, bei der Einladung handele es sich um einen Werbebrief. Kurzfristige Rückmeldefristen, die durch Verzögerungen im Versand zustande gekommen waren, hätten zur Skepsis beigetragen. Für einige war der Blick auf die Website, für andere das Erinnerungsschreiben ausschlaggebend, um sich für den Wahlkreistag anzumelden. Ein Vater erzählte, seine Tochter hätte zum Projekt recherchiert und ihm dann mitgeteilt: „Papa, kannst du machen, das ist seriös“. Ein anderer berichtete, dass Frau Vökler – die Wahlkreispatin für den Wahlkreis Roth – ihn am Telefon für eine Teilnahme gewinnen konnte. Überzeugt hätte ihn, dass es sich bei dem Projekt um ein ergebnisoffenes Experiment handele, und auch Kritik an dem Format “Wahlkreistag” Raum bekommen würde. Eine Teilnehmende berichtete, dass sie sich politisch informiere, aber keinen Ort hätte, ihre Meinungen zu äußern. Dies hätte sie motiviert teilzunehmen. Ein Jugendlicher beschrieb, dass er schon das Kennenlern-Treffen für Jugendliche super gefunden hätte und darum auch zum Wahlkreistag gekommen sei. 

Mein Verhältnis zum Bundestag 

In der ersten Kleingruppen-Phase tauschten sich die Teilnehmenden über ihr persönliches Verhältnis zum Bundestag aus und darüber, wann sie schon mal stolz oder ärgerlich auf den Bundestag waren. Insgesamt fiel es den Teilnehmenden leichter, negative Eindrücke zu schildern. Positiv hervorgehoben wurde, wie grundsätzlich wichtig und wertvoll es sei, in Deutschland überhaupt in einer Demokratie zu leben, in der es freie Wahlen gibt und verschiedene politische Positionen im Parlament debattiert werden. Auch, dass jede Region Deutschlands eine Vertreterin oder einen Vertreter im Bundestag hat, wurde als gut empfunden. Kritisiert wurde das Verhalten der Abgeordneten: mangelnde Anwesenheit bei Debatten, Korruptionsskandale und eine schlechte Streitkultur würden das Vertrauen der Bürger:innen in den Bundestag untergraben. In diesem Zusammenhang wurden auch die mangelnde Kooperation über Parteigrenzen hinweg und der Fraktionszwang kritisiert. Einige äußerten zudem, dass sie den Eindruck hätten, dass viele Politiker:innen den Kontakt zur Bevölkerung und deren Anliegen verloren haben. Auch die Größe des Bundestages und der Einfluss der Wirtschaftslobby wurden negativ bewertet. 

Wie wünschen wir uns ein ideales Verhältnis zwischen Einwohner:innen und Bundestag? 

Zurück im Plenum ging es nun darum, individuell von einem idealen Verhältnis zwischen den Einwohner:innen Deutschlands und den für sie im Bundestag sitzenden Abgeordneten bzw. der Bundespolitik zu träumen. Ausgehend von diesem Moment des Nachdenkens wurden Themen gesammelt, zu denen die Teilnehmenden am Nachmittag konkrete Visionen erarbeiteten. Fünf übergeordnete Themenkomplexe bildeten sich heraus: Transparenz, Rechenschaft, Austausch mit Abgeordneten und Feedback durch Bürger:innen, Regulierung von Wirtschafts-Lobbyismus sowie ein verstärkter Ethik-Check politischer Entscheidungen. 

Nach dem Mittagessen und einer kurzen Führung durch die spannenden Räumlichkeiten des Industriemuseums wurden diese Visionen, inklusive konkreter Maßnahmenvorschläge, in einer zweiten moderierten Kleingruppen-Phase ausgearbeitet. Die Teilnehmenden hatten sich im Vorhinein entsprechend ihrer eigenen Interessen den Kleingruppen zugeordnet.  

Themenwünsche für zukünftige Wahlkreistage

Nach Abschluss der zweiten Kleingruppen-Phase kamen wieder alle im Plenum zusammen. Zunächst alleine und dann mit den Sitznachbar:innen wurde sich darüber ausgetauscht, welche Themen für die Wahlkreistage der zweiten und dritten Phase des Projekts besonders geeignet sein könnten. Zu jedem Vorschlag konnten die Teilnehmenden mit einer kleinen Holzfigur in Form ihres Wahlkreises den Grad ihrer Zustimmung auf einer hölzernen Zielscheibe ausdrücken: je weiter im Inneren der Zielscheibe, desto größer die Zustimmung. Die Themen mit der höchsten Zustimmung waren Bildungspolitik, Energiepolitik, Klimapolitik und Asylpolitik.

Diskussion der Ergebnisse mit dem Bundestagsabgeordneten Ralph Edelhäußer (CSU)

Herr Edelhäußer (CSU), der direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises, stieß um 15 Uhr für eine Gesprächsrunde zur Veranstaltung hinzu. Die beiden anderen Abgeordneten des Wahlkreises Kristine Lütke (FDP) und Jan Plobner (SPD) konnten eine Teilnahme am ersten Wahlkreistag aus terminlichen Gründen leider nicht ermöglichen. Beide freuen sich jedoch bereits auf die zweite Runde des Projekts. Ein im Vorhinein des Wahlkreistages aufgenommenes kurzes Interview mit Frau Lütke wurde als Video eingespielt, in dem sie den Teilnehmenden zumindest digital ihre Grüße ausrichtete. 

Die in der Kleingruppen-Phase erarbeiteten Visionen zu den genannten fünf Themenkomplexen wurden von den einzelnen Gruppen vorgestellt. Herr Edelhäußer wurde um eine Einschätzung zur Umsetzbarkeit gebeten und es konnten beiderseits Nachfragen gestellt und kritische Punkte kurz diskutiert werden. 

In der Gruppe „Ein Ort für alle Infos“ wurden ein deutlicher Ausbau und eine bessere Bekanntmachung der  Bundestags-Website sowie -App gewünscht. Website und App sollten die zentralen Orte für alle Informationen rund um den Bundestag, die Bundestagsdebatten und Abstimmungen sein. Entscheidungen einzelner Abgeordneter sowie die Positionen der einzelnen Fraktionen sollten auf der Website begründet werden. Alle Informationen sollten gut verständlich aufbereitet werden. Vorgeschlagen wurde außerdem, die App mit Feedback-Tools für die Bevölkerung zu verbinden. So sollten auch die Bürger:innen die Möglichkeit bekommen, zu Gesetzesvorhaben abzustimmen, sodass die Meinung des Wahlkreises mit dem Abstimmungsverhalten des Abgeordneten für diesen Wahlkreis verglichen werden könne.

Herr Edelhäußer verwies in der Diskussion auf die bereits bestehende Website und App des Bundestages, teilte jedoch die Vision einer Ausweitung und stärkeren Bekanntmachung der bereits bestehenden Angebote. 

Neben dieser Vision kam aus der Gruppe noch ein weiterer Vorschlag zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Einwohner:innen und Bundestagsabgeordneten: die langfristige Implementierung des Formats, das sie an diesem Tag kennengelernt hatten, dem Wahlkreistag, und seine Weiterführung im Wahlkreisrat. 

Die zweite Gruppe gab ihrer Vision den Arbeitstitel „Lob und Tadel“ und beschäftigte sich mit verschiedenen Möglichkeiten, Abgeordneten Feedback zu ihrer Arbeit zu geben. Es wurde der Vorschlag formuliert, ein noch näher zu definierendes Gremium zu bilden, welches sowohl anlassbezogen als auch regelmäßig einmal pro Jahr Feedbackgespräche mit den Abgeordneten führt und sowohl positive als auch negative Rückmeldungen zur Qualität ihrer Arbeit gibt. Als wichtiger Schritt hin zu einer Umsetzung des Vorschlags wurde die Lockerung des Fraktionszwangs genannt. Abgeordnete sollten damit stärker Verantwortung für ihr Abstimmungsverhalten übernehmen. Weiterhin wurde sich gewünscht, dass Beliebtheitswerte von Abgeordneten laufend digital erfasst werden. Zuletzt schlug die Gruppe noch das Sanktionsmittel der Abwahl vor, wie es auf kommunaler Ebene beispielsweise für Bürgermeister:innen existiert. 

Den Wunsch der Gruppe nach mehr Feedbackmöglichkeiten konnte Herr Edelhäußer nachvollziehen. Er erklärte, dass es finanzielle Sanktionen für das Nicht-Erscheinen der Abgeordneten bei Bundestagsdebatten bereits gebe. Auf große Zustimmung bei den Teilnehmenden stieß sein spontaner Vorschlag, dieses durch die Sanktionen eingesparte Geld für die Umsetzung von Wahlkreistagen zu nutzen. Das Sanktionsmittel der Abwahl bewertete Herr Edelhäußer als unrealistisch. Er gehe davon aus, dass sich innerhalb einer Legislaturperiode schlecht Ersatz finden würde und die Möglichkeit der Abwahl den Beruf insgesamt unattraktiver machen würde. 

Unter dem Titel „Demokratie gemeinsam gestalten“ erarbeitete die dritte Gruppe eine Vision, wie Bürger:innen und Repräsentant:innen gemeinsam an politischen Herausforderungen arbeiten und durch gegenseitiges Verständnis gemeinsam Lösungen entwickeln können. Als konkrete Maßnahme schlug die Gruppe vor, zunächst über verschiedene digitale sowie Printmedien deutlich mehr Informationen zu bereits bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten wie z.B. zu Sprechstunden der Abgeordneten oder zum Parlamentsfernsehen zur Verfügung zu stellen. Anreizsysteme, zum Beispiel finanzieller Art, sollten die Beteiligung zudem attraktiver machen. Weiterhin wurde, ähnlich dem Vorschlag der ersten Gruppe, die Einführung einer staatlichen App vorgeschlagen, in der Informationen zu Abstimmungen, wissenschaftliche Hintergrundinformationen zu politischen Fragen sowie Informationen und Begründungen zum Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter gebündelt würden. Auch die digitale Möglichkeit für Bürger:innen, zu den gleichen Fragen abzustimmen, zu denen auch die Abgeordneten abstimmen, wurde erneut vorgeschlagen. Zuletzt schlug die Gruppe vor, ein digitales Vorschlagssystem mit Anreizsystem einzuführen: Bürger:innen sollten digital Vorschläge für Gesetzesentwürfe einreichen können und bei Umsetzung ihrer Vorschläge belohnt werden. 

Herr Edelhäußer teilte diese Vision und verwies erneut auf bereits bestehende Möglichkeiten der Teilhabe, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Petitionen einzureichen, die dann vom Petitionsausschuss behandelt werden. 

Die gute Schlagzeile aus der Zukunft von Gruppe vier lautete: „Wirtschaftslobby in der Krise – Bundestagsabgeordnete haben zu wenig Zeit für Wirtschaftsinteressen”. Unter dem Motto „Zeitverschiebung” war das zentrale Ziel der Gruppe, dass Abgeordnete verpflichtend mehr Zeit mit Bürger:innen statt mit Lobbyist:innen verbringen sollten. Die Gruppe schlug vor, dies durch feste, wöchentliche Sprechzeiten im Wahlkreis zu erreichen. Außerdem sollten der Kalender oder zumindest konkrete Informationen dazu, wann sich Abgeordnete mit wem träfen, öffentlich zugänglich sein. 

Als Resultat der Diskussion im Plenum und mit Herrn Edelhäußer wurde als Kompromiss statt einer Verpflichtung der Abgeordneten zu mehr Zeit mit Bürger:innen zunächst die volle Transparenz bezüglich der Termine der Abgeordneten erarbeitet. Dieser erhielt noch breitere Zustimmung unter den Teilnehmenden und wurde auch von Herrn Edelhäußer unterstützt. 

Die letzte Gruppe beschäftigte sich mit der Frage, wie politische Vorschläge und Entscheidungen verstärkt nach ethischen Maßstäbe überprüft werden könnten. Schwierigkeiten gab es bei der Einigung darauf, welcher ethische Maßstab angelegt werden müsse und wer dafür zuständig sei. Außerdem blieb noch zu klären, wie ethische Gremien und ihre Empfehlungen demokratisch legitimiert würden. Als konkrete Maßnahme konnte sich auf mehr Ethik- und Philosophieunterricht in der Schule sowie eine breitere öffentliche Behandlung ethischer Fragen in verschiedenen Medien geeinigt werden. Auch der bereits bestehende deutsche Ethikrat sollte laut der Gruppe, ähnlich wie zur Zeit der Corona-Pandemie, mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. 

Herr Edelhäußer unterstützte die grundsätzliche Haltung der Gruppe, dass ethische Gesichtspunkte in die Politik einbezogen werden müssen. In der Diskussion bestätigte er, dass während der Corona-Pandemie ein deutlich stärkerer Austausch als jetzt zwischen Politiker:innen und dem deutschen Ethikrat stattgefunden habe. Bezüglich des Wunsches nach mehr Ethik- und Philosophieunterricht verwies er auf die Landeshoheit in Bildungsfragen. 

Der Austausch wurde sowohl von den Teilnehmenden als auch von Herrn Edelhäußer als sehr bereichernd wahrgenommen. Herr Edelhäußer bot verschiedene Möglichkeiten an, wie die Teilnehmenden auch über den Wahlkreistag hinaus mit ihm in Kontakt treten könnten. Zwei Teilnehmende äußerten in der Abschlussrunde, dass sie mit den Antworten von Herrn Edelhäußer auf die gemachten Vorschläge nicht zufrieden gewesen seien. Sie hätten sich weniger Rechtfertigung des Status Quo und mehr Wertschätzung neuer Ideen gewünscht.   

Dem Format “Wahlkreistag” gaben die Teilnehmenden insgesamt sehr positives Feedback. Viele empfanden es als sehr bereichernd, einen Eindruck vom Alltag eines Bundestagsabgeordneten zu bekommen. Es wurde die Hoffnung geäußert, dass Herr Edelhäußer sich für manche der vorgeschlagenen Maßnahmen in seiner Arbeit als Abgeordneter engagiere. Der moderierte Austausch mit anderen Teilnehmenden wurde als sehr konstruktiv beschrieben. Eine Teilnehmende, die am Anfang noch skeptisch gegenüber dem Format war, äußerte ihre Freude darüber, teilgenommen zu haben. Ein anderer sagte: „Macht bitte weiter, denn ich glaube, dass es unserer Gesellschaft gut tut, aus ihren Blasen herauszukommen”. Ein Dritter bezeichnete den Tag gar als „Schatz der Demokratie”.