FAQ

Hier erklären wir Begriffe und Hintergründe rund um das Projekt und das Format der Wahlkreistage.
Wkt3 Erfurt (43)

Häufig gestellte Fragen zum Hintergrund des Projekts

Für uns ist es wichtig, in losbasierten Verfahren den direkten Austausch zwischen ausgelosten Menschen, die einen Teil der Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln, und den Abgeordneten zu ermöglichen. Für ganz Deutschland und mit allen Abgeordneten des Bundestags gleichzeitig ist das nur schwer möglich. 

Gleichzeitig ist Deutschland in 299 Wahlkreise eingeteilt, in jedem wohnen ungefähr 250.000-300.000 wahlberechtigte Menschen. Alle Abgeordneten sind ebenfalls in einem Wahlkreis zuhause, sie sind direkte Ansprechpersonen für politische Fragen vor Ort. So kommt den Wahlkreisen im demokratischen System Deutschlands eine ganz besondere Bedeutung zu: Sie sind Ort der Repräsentation und dienen der Beziehung zwischen der Bevölkerung und den Politiker:innen. 

Gleichzeitig ist diese Ebene bislang keine, mit der sich Menschen identifizieren. Die Abgeordneten arbeiten zwar mindestens die Hälfte des Jahres im Wahlkreis, wer aber die Abgeordneten aus dem eigenen Wahlkreis sind, wissen nur wenige. Wir wollen diese Beziehung stärken, damit die gefühlte Distanz zwischen den Wahlkreisbewohner:innen und der Politik im Bundestag verringert wird. Das wird auch dadurch erreicht, dass auf der Wahlkreisebene die regionalen Unterschiede und Besonderheiten Berücksichtigung finden. 

Wahlkreistage unterscheiden sich von Bürgerräten wesentlich in dem Punkt, dass Bürgerräte zum Ziel haben, zu einem bestimmten Thema Empfehlungen an eine Entscheidungsinstanz zu liefern. Im Fall der nationalen Bürgerräte bedeutet das zum Beispiel, dass eine repräsentative Gruppe zufällig ausgeloster Menschen aus Deutschland (ca. 160 Menschen) zusammen und mithilfe wissenschaftlichen Inputs, Exkursionen und Expert:innen in einem intensiven und mehrwöchigen Prozess Empfehlungen erarbeiten, die in die Entscheidung der Regierung einfließen, bzw. diese beraten. Bürgerräte zielen also darauf ab, die Entscheidungen der Regierung um die Perspektive der Bürger:innen anzureichern und so zu verbessern.

Wahlkreistage dagegen verfolgen ein anderes Ziel. Sie legen den Fokus auf den Austausch über ein bundespolitisch relevantes Thema, bei dem die Abgeordneten etwas über die Lebensrealitäten in ihrem Wahlkreis erfahren und die Teilnehmenden besser verstehen können, wie die Arbeit der Abgeordneten und politische Prozesse funktionieren. Kurzum: Es geht um die Beziehungsebene

Das hängt auch damit zusammen, dass Abgeordnete in einem Wahlkreis keine alleinige Entscheidungsmacht über das bei Wahlkreistag Besprochene besitzen. Sie sind jedoch einerseits Vertreter:in für die Belange des Wahlkreises im Bundestag und andererseits meistens sehr gut in der Landes- und Kommunalpolitik vernetzt. Sie wissen am besten, wo welche Themen platziert werden können und wirken so als Multiplikator:innen für bestimmte Belange. 

Bei Bürgerräten findet die Erarbeitung von Empfehlungen meistens bewusst unter Ausschluss der Politiker:innen statt, damit diese die Ergebnisse nicht beeinflussen. Die Politiker:innen werden im Anschluss daran gebeten, zu den Empfehlungen des Bürgerrats Stellung zu beziehen und zu begründen, warum welche Empfehlungen umgesetzt oder nicht umgesetzt werden. 

Bei Wahlkreistagen geht es nicht um Ergebnisse im Sinne von Empfehlungen, sondern um das Schaffen eines Raums, der gegenseitiges Verständnis ermöglicht und stärkt. Wahlkreistage bringen daher per Zufall ausgeloste diverse Menschen und Abgeordnete in einen Raum, um gemeinsam über Themen zu diskutieren, Probleme zu definieren, Fragen zu klären und Ideen gemeinsam zu besprechen. Dabei wird besonders auf den Austausch persönlicher Erfahrungen Wert gelegt. Diese Geschichten aus den unterschiedlichen Lebensrealitäten veranschaulichen, wo es Nöte gibt, wo Unverständnis herrscht und welche Ideen es aus der Erfahrung heraus bereits für die Lösung gibt. Als eine gute Gruppengröße hat sich die Anzahl von 25-30 Teilnehmenden bewährt. Sie bewahrt das Gefühl, in einem geschützten und privaten Raum einen persönlichen Austausch mit Politiker:innen zu führen.

Aus diesem Fokus ergibt sich, dass Wahlkreistage nur einen Tag lang dauern. Wahlkreisräte, deren Mitglied alle Teilnehmenden der Wahlkreistage werden können, bilden dann das Mittel, um die Beziehung auch langfristig aufzubauen und die Arbeit der Abgeordneten um Perspektiven einer diversen Gruppe aus ihrem Wahlkreis zu bereichern.

Das bedeutet aber nicht, dass es keine Art der Verbindlichkeit gibt. Die Abgeordneten werden am Ende eines Wahlkreistags gefragt, was sie von dem Gehörten und Diskutierten mitnehmen und welche Möglichkeiten sie sehen, es weiterzutragen. 

Für die unterschiedlichen Themen gibt es auch bei Wahlkreistagen wissenschaftlichen Input für die gemeinsame Diskussionsgrundlage. Wie wir diesen erstellen, erfahren Sie hier.

Im Projekt Hallo Bundestag wurden die direkt gewählten sowie die über die Landeslisten in den Bundestag eingezogenen Abgeordneten eingeladen. Bei den Piloten fanden die Wahlkreistage nur mit den direkt gewählten Abgeordneten statt. Die Evaluation zeigt aber, dass das Vertrauen in Politiker:innen, politische Prozesse und Parteien stärker steigt, wenn mehrere Abgeordnete verschiedener Parteien anwesend sind. Unsere Erfahrung ist, dass das Erleben eines konstruktiven und wohlwollenden Austauschs der Abgeordneten untereinander über Parteigrenzen hinweg einen sehr großen Effekt auf die Teilnehmenden hat. Dieses Erleben zeichnet nämlich ein ganz anderes Bild als das, was medial von dem Umgang in der Politik verbreitet wird. 

Für die Zukunft überlegen wir, auch Betreuungsabgeordnete der Wahlkreise einzuladen, um die Parteienvielfalt an Wahlkreistagen zu erhöhen.

Bei der Bundestagswahl kann man auf dem Stimmzettel zwei Stimmen abgeben: In der linken Spalte macht man ein Kreuz für die Erstimme, rechts für die Zweitstimme. Mit der Erststimme wird ein Kandidat oder eine Kandidatin aus dem eigenen Wahlkreis direkt gewählt. In Deutschland gibt es 299 Wahlkreise. Mit der Zweitstimme wählt man eine Parteiliste, die in den Bundesländern aufgestellt wurde. Die Anzahl der Zweitstimmen entscheidet darüber, wie viele Kandidat:innen eine Partei insgesamt in den Bundestag entsenden darf (vgl. bpb).

Für die Aufgaben und Pflichten in der Wahlkreisarbeit macht es jedoch verfassungsrechtlich keinen Unterschied, ob die/der Abgeordnete direkt oder über die Liste gewählt wurde. Wir möchten das Verhältnis aller Abgeordneten zu den in ihrem Wahlkreis lebenden Menschen stärken. Daher streben wir an, keine Rollentrennung der Abgeordneten zu haben.

Hallo Bundestag sollte neue Wege aufzeigen, wie die Verbindung zwischen Menschen vor Ort und dem Bundestag und seinen Abgeordneten verbessert werden kann. Das Mittel dafür sind die Wahlkreistage. Damit wir am Ende aber wirklich sagen können, unter welchen Bedingungen es in ganz Deutschland funktionieren würde, mussten wir es in unterschiedlichen Wahlkreisen ausprobiert haben.

Hallo Bundestag sollte also erproben, wie gut das Format Wahlkreistage unter verschiedenen Bedingungen funktioniert. Wir wollten testen, ob es in allen sechs Wahlkreisen mit verschiedenen Konstellationen an Abgeordneten und unterschiedlichen Themen gleichermaßen funktioniert. Ein weiterer wichtiger Punkt war, dass wir herausfinden wollten, inwieweit Menschen, die per Zufall zum Wahlkreistag ausgelost wurden, danach zusammen als Gruppe weiterarbeiten wollen, sich im Wahlkreisrat engagieren und ob die Abgeordneten diese diverse Gruppe für kurzfristiges Feedback konsultieren.

Außerdem verfolgten wir mit dem Projekt den Anspruch an einen selbstlernenden Prozess. Das heißt, wir wollten von Beginn an Erkenntnisse sammeln und direkt im laufenden Projekt umsetzen. 

Zukünftig wollen wir das Format in möglichst allen Wahlkreisen Deutschlands möglich machen. Falls Sie Interesse haben, dass in Ihrem Wahlkreis ein Wahlkreistag stattfindet, melden Sie sich gern bei uns unter wahlkreistag@esgehtlos.org.

Für das Projekt war es wichtig, dass die sechs Wahlkreise möglichst die Vielfalt der 299 Wahlkreise in Deutschland widerspiegelten. Dazu mussten wir eine Kombination von Wahlkreisen aussuchen. 2021 hatten wir in zwei Berliner Wahlkreisen bereits Wahlkreistage durchgeführt. Die Teilnehmenden waren begeistert und interessiert daran weiterzumachen. Daher entschieden wir, diese zwei Berliner Wahlkreise (einmal im ehemaligen Westteil, einmal im Ostteil der Stadt) auch für Hallo Bundestag zu berücksichtigen.

Zusätzlich zu den Berliner Wahlkreisen wählten wir im Norden, Osten, Süden und Westen Deutschlands noch vier weitere Wahlkreise aus. Es ist klar, dass wir mit sechs Wahlkreisen nicht alle Kriterien und Merkmale der 299 Wahlkreise in Deutschland abbilden können. Dennoch sind wir sicher: Wenn es in diesen sechs funktioniert, dann tut es das wahrscheinlich auch in den restlichen 293 Wahlkreisen.

Kriterien für die weitere Auswahl neben den Piloten waren: neue & alte Bundesländer; strukturschwache und strukturstarke Regionen sowie solche im Strukturwandel; Parteienverhältnis sowie Wahlstimmenverhältnis; Geschlechter-Verhältnis der Abgeordneten (inkl. der Listenabgeordneten).

Mehr Infos zu den Wahlkreisen im Projekt ->

Bei der Auswahl der Wahlkreise haben wir eine Reihe von Kriterien angewendet, die eine Vielfalt an unterschiedlichen Wahlkreisen ermöglichen (s. vorige Frage). Dazu gehört auch, wer im Wahlkreis das Direktmandat gewonnen hat und ob und welche weiteren Parteien über die Listenplätze im Wahlkreis vertreten sind. Nachdem wir auf dieser Basis eine Vorauswahl getroffen haben, sind wir mit den Abgeordneten in Kontakt getreten. In der jetzigen Auswahl sind dann nur noch Wahlkreise berücksichtigt, in denen bei allen Abgeordneten zumindest ein grundsätzliches Interesse bestand, dabei zu sein.

Im Verlauf des Projekts stellte sich für uns immer klarer heraus: Wenn Abgeordnete den Austausch einmal erlebt hatten, waren sie vom Format zumeist sehr überzeugt und nahmen gern wieder teil. Mehr dazu in unseren Erfahrungen!

Ziel unserer Wahlkreistage ist es, dass Abgeordnete ein möglichst gutes Bild davon bekommen, was Menschen in ihrem Wahlkreis denken, was sie beschäftigt und welche Haltungen und Meinungen sie zu den für die Politik relevanten Themen haben. Da wir nicht alle 300.000 Einwohner:innen eines Wahlkreises mit den Abgeordneten ins Gespräch bringen können, müssen wir eine Auswahl treffen. Die Zufallsauswahl stellt sicher, dass alle Menschen im Wahlkreis dieselbe Chance haben, ausgewählt zu werden. Darüber hinaus werden die Merkmale der Bevölkerung bei einer Zufallsauswahl auch in einer kleineren Gruppe besser abgebildet, als wenn wir beispielsweise fragen würden: "Wer möchte gerne mitmachen?". Wir schaffen es durch das Auslosen, dass viele Menschen dabei sind, die sich von sich aus nicht für so eine Veranstaltung angemeldet hätten. 

Zunächst haben wir bei den Meldeämtern der jeweiligen Wahlkreise einen Antrag auf Gruppenauskunft gestellt, um eine Zufallsauswahl von diesen zu erhalten. Das Bundesmeldegesetz hält im § 46 fest, welche Daten abgefragt werden dürfen und dass eine Gruppenauskunft möglich ist, wenn das öffentliche Interesse gewährleistet ist. Das bedeutet, dass die Belange der Allgemeinheit und nicht von Einzelnen gefördert werden. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat uns bestätigt, dass Wahlkreistage (damals noch unter dem Namen "Wahlkreisräte") im öffentlichen Interesse sind. 

Eine Herausforderung war, dass die Daten für einen Wahlkreis meistens nicht vom Bundesland direkt bezogen werden können. In diesem Fall mussten wir einen Antrag pro Gemeinde stellen – mitunter 39 für einen Wahlkreis. Anschließend haben wir allen Ausgelosten einen Brief geschrieben, um sie darüber zu informieren, dass wir ihre Daten erhalten haben, um sie eventuell auszulosen. Das ist aus datenschutzrechtlichen Gründen notwendig.

Mithilfe unserer Es geht LOS App, die den Losprozess und das Verfahren datensicher und -schonend ermöglicht, haben wir dann Teilnehmende ausgelost und anschließend per Brief angeschrieben. Diejenigen, die sich nicht zurückmeldet haben, bekamen ein Erinnerungsschreiben. Meldeten sie sich auch darauf nicht zurück, besuchten wir sie persönlich zuhause, um herauszufinden, ob und wie wir ihre Teilnahme ermöglichen können. Häufige Bedarfe sind Kinderbetreuung, die Unterstützung bei der Freistellung beim Arbeitgeber, oder ganz einfach das Gefühl zu bekommen, dass die eigene Stimme wirklich zählt und nur von einem selbst eingebracht werden kann. 

Dieses Verfahren heißt Aufsuchendes Losverfahren. Es stellt sicher, dass auch solche Menschen dabei sind, die sich nicht von sich aus auf einen Einladungsbrief zu einem Beteiligungsverfahren melden. 

Mehr zum Aufsuchenden Losverfahren -> 

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Berichte und Updates aus dem Projekt

Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt

Die Wahlkreise im Projekt