1. Wahlkreistag für Berlin-Steglitz-Zehlendorf
Eindrücke vom Wahlkreistag
Bericht vom 1. Wahlkreistag Steglitz-Zehlendorf am 18. März
Der erste Wahlkreistag hat stattgefunden. Am 18. März hieß es zum ersten Mal “Hallo Bundestag”. Bei mildem Frühlingswetter fanden sich 25 ausgeloste Bürger:innen aus Steglitz-Zehlendorf im Bundestag ein, um über das Verhältnis von Wahlkreis und Bundespolitik zu beraten. Die Teilnehmenden bildeten eine gemischte Gruppe. So lag z. B. die Altersspanne zwischen 12 und 78 Jahren. Eine Besonderheit war der hohe Anteil von Jugendlichen:Gleich acht Teilnehmende zwischen 12 und 17 Jahren vertraten die “junge Generation”.
Der Wahlkreistag startete mit einem kurzen Überblick zum Projekt “Hallo Bundestag” durch die Moderator:innen Juliane Baruck und Linus Strothmann. Anschließend gaben die Teilnehmenden einen Einblick in ihre ersten Reaktionen auf die Einladung. Viele berichteten, zunächst mit Skepsis auf die Nachricht reagiert zu haben, dass sie für den Wahlkreistag ausgelost worden seien. Durch das Erinnerungsschreiben oder das zuhause Aufgesucht-Werden sei aber ihre Neugier geweckt worden. So seien sie doch zur Teilnahme bewegt worden.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Bundestag?
Im Anschluss ging es in die erste - natürlich geloste - Kleingruppenphase. Hier wurde das Spektrum der Perspektiven deutlich, mit denen die Teilnehmenden ihre persönliche Beziehung zum Bundestag beschreiben. Viele teilten jedoch ein Gefühl der Distanz zwischen Politik und Bürger:innen. Daher fanden die Teilnehmenden, dass neue Formen des Austauschs nötig seien, um aus dem Verhältnis von Bürger:innen und Politik wieder eine echte Beziehung zu machen.
Vision für ein besseres Verhältnis von Politik und Menschen vor Ort
Mit diesen Eindrücken ging es zurück ins Plenum, wo die Teilnehmenden nun Bereiche nennen sollten, in denen sie die Beziehung zwischen Menschen und Politik verbessern möchten. Dabei bildeten sich vier übergeordnete Schwerpunkte heraus, zu denen die Teilnehmenden jeweils eine konkrete “Vision” entwickeln wollten: 1. Die Arbeit an (Austausch-)Formaten im demokratischen Prozess, 2. Transparenz darüber, wie politische Entscheidungen getroffen werden und wie es möglich ist, sich dabei einzubringen, 3. die Transparenz über das Handeln von Politiker:innen und 4. eine Vision für einen respektvollen Umgang in der Politik als Vorbild für die Bevölkerung.
Die Mittagspause hielt mit einer kurzen Bundestagsführung ein heimliches Highlight des Tages bereit. Danach ging es erneut in Kleingruppen, um jeweils eine Vision auszuarbeiten: Jeder Vision wurde eine Überschrift gegeben. Außerdem wurden ein paar Schlagzeilen aus einer Zukunft entworfen, in der die Vision umgesetzt ist. Zuletzt wurden konkrete Maßnahmen und Schritte für die Umsetzung vorgeschlagen.
Themensammlung für zukünftige Wahlkreistage
Nach der Ausarbeitung von Visionen und Maßnahmen zum Thema des Wahlkreistags gab es noch eine kurze Diskussionsrunde zu der Frage, welche anderen Themen in zukünftigen Wahlkreistagen diskutiert werden sollten. Diese Sammlung wird in allen sechs Wahlkreisen des Projekts stattfinden und bildet dann die Grundlage für die Themenauswahl für die Wahlkreistage in der zweiten und dritten Projektphase. Die Themen wurden zunächst einzeln gesammelt. Dann konnten sich alle Teilnehmenden mit einer kleiner Wahlkreisfigur zum Thema positionieren. Die größte Zustimmung erhielten die Themen Klimaschutz, Gesundheitspolitik und das Thema Armut. Auch das Bildungsthema, obwohl Ländersache, traf auf viel Zuspruch.
Diskussion der Ergebnisse mit Bundestagsabgeordneten
Um 15 Uhr stießen die Abgeordneten des Wahlkreises zur Gruppe. Nun wurden die Visionen allen Teilnehmenden und den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Steglitz-Zehlendorf, Thomas Heilmann (CDU) und Ruppert Stüwe (SPD), vorgestellt. Die Grünen-Abgeordnete Nina Stahr konnte leider nicht dabei sein, schickte aber eine Videobotschaft an die gelosten Teilnehmenden.
Die Vision für einen demokratischen Prozess sah vor allem Formate vor, in denen sich Bürger:innen und Abgeordnete auf Augenhöhe begegnen. Die Abgeordneten teilten diese Vision. Sie berichteten aber auch, dass sie bereits viele Angebote wie Bürger:innensprechstunden oder Marktplatzgespräche machen, dass es aber schwierig ist, die Aufmerksamkeit der Menschen dafür zu gewinnen.
Die Vision “Transparente Politik auf Augenhöhe” legte den Fokus auf eine “gute Fehler- und Transparenzkultur” in der Politik. Mitunter kontrovers diskutiert wurden Vorschläge zur Auswahl von Fachpolitiker:innen nach fachlichen Kriterien, der öffentlichen Durchführung von Untersuchungsausschüssen oder der Rechenschaft von Politiker:innen für Fehlentscheidungen. Auch zur Tätigkeits-Transparenz wurde eine eigene Vision entwickelt: Hier wünschten sich die Teilnehmenden mehr Informationen über das Abstimmungsverhalten, Lobby-Treffen und Nebentätigkeiten der Abgeordneten. Auch hier stimmten die Abgeordneten grundsätzlich zu. Gleichzeitig erklärten sie die Mechanismen, die bereits für Transparenz zu Tätigkeiten von Abgeordneten und politischen Prozessen sorgen. Diese würden in den Medien jedoch oft nicht erwähnt.
Die Rolle der Öffentlichkeit war auch in der Diskussion um die vierte Vision zentral: “Politiker:innen als Vorbild für ein demokratisches und respektvolles Verhalten”. Dabei ging es insbesondere um die Debattenkultur in der politischen Öffentlichkeit oder im Bundestagsplenum. Die Teilnehmenden störte die negative und von persönlichen Angriffen gegenüber den politischen Gegner:innen geprägte Atmosphäre. Hier wiesen die Abgeordneten darauf hin, dass die Presse oft nur über zugespitzte Aussagen berichtet. Mit konstruktiven und differenzierten Sichtweisen sei es oft schwer, öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Bemerkenswert: Der Umgang zwischen Herrn Stüwe und Herrn Heilmann beim Wahlkreistag war sehr konstruktiv und von gegenseitigem Respekt geprägt. Ebenfalls neu dürfte für die Vielzahl der Teilnehmenden die Offenheit gewesen sein, mit der beide über politische Arbeit im Allgemeinen und z. B. Fehlerkultur im Besonderen sprachen. Vertreter:innen der Presse kamen erst nach dem offiziellen Part dazu.
Der Tag ging mit einer Abschlussrunde der Teilnehmenden und Abgeordneten zu Ende. Dabei wurde deutlich, dass die anfängliche Skepsis der Teilnehmenden gewichen war: Sie äußerten sich nun überzeugt, dass ein Format wie der Wahlkreistag positiv zur Beziehung von Wahlkreis-Ebene und Bundespolitik beitragen kann. Am Ende des Tages meldeten sich knapp 80% der Teilnehmenden, um sich im Wahlkreisrat weiter einzubringen. Auch Herr Heilmann und Herr Stüwe zeigten sich beeindruckt von der konstruktiven Diskussion und kündigten an, dass sie gerne mit dem Wahlkreisrat weiterarbeiten möchten.